Im angelsächsischen Raum wird häufig zum Jahreswechsel das bekannte schottische Lied „Auld Lang Syne“ gesungen, das der guten alten Zeiten und vor allem der Verstorbenen des zurückliegenden Jahres gedenkt, auf die man mit einem „cup o’ kindness“, „einem Becher Freundlichkeit“ anstößt.
Das Lied ist über 300 Jahre alt und wurde in der Zeit 1790–1820 auch auf dem Kontinent populär, vor allem durch eine Vertonung von Joseph Haydn. In der beginnenden Romantik waren schottische Volkslieder schwer in Mode, denn man verband Ursprünglichkeit, Volkstümlichkeit und Natürlichkeit mit ihnen. Zum „Mitternachtslied“ an Silvester wurde es aber erst hundert Jahre später: In New York spielte die kanadische Band Guy Lombardo & His Royal Canadians viele Jahre lang „Auld Lang Syne“ um Mitternacht in der legendären New Year’s Eve Party im New Yorker Roosevelt-Hotel, die landesweit im Radio übertragen wurde. Das wurde zur Tradition, und so spielt man genau diese Version noch heute zum Jahreswechsel in New York am Times Square.
Hören wir auf der Klassikliste „Auld Lang Syne“ in der etwas schnulzigen Fassung von Guy Lombardo & His Royal Canadians. Auf der Ergänzungsliste gibt es die klassische Vertonung von Joseph Haydn (1732–1809) aus der Zeit nach 1795. Und es gibt Hunderte von anderen Fassungen. Besonders hinweisen möchte ich hier auf den hörenswerten Silvester-Post des amerikanischen A-Cappella-Country-Quintetts Home Free. Die können singen!
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Während A-cappella-Gesang heute eher ein Nischendasein führt, gab es eine Zeit, in denen er größte Bedeutung genoss: in der Renaissance, einer Epoche, die aufs Mittelalter folgt. Damals war Orlando di Lasso (1530/32–1594) der Star am europäischen Musikhimmel, ein genialer Musiker und Komponist, der durch Europa reiste, Musik in allen europäischen Sprachen und allen bekannten Stilen schrieb und ein riesiges und vielfältiges Werk hinterlassen hat: Hymnen, Motetten, Madrigale, Chansons, Lieder und vieles mehr. Seine Musik war die meistgedruckte der Zeit, über vier Jahrzehnte hinweg erschien in Europa durchschnittlich wöchentlich eine Ausgabe von ihm im Druck.
Ein Madrigal ist ein mehrstimmiges Vokalwerk weltlichen Inhalts. Von Orlando di Lasso gibt es ein faszinierendes Madrigal mit dem deutschen Titel „Hört zu ein news Gedicht“, mit dem auf witzige Weise zu einem „Nasentanz“ eingeladen wird. Offenbar gab es auf Dorffesten die lustige Attraktion, dass Menschen mit besonderen Nasen zusammen tanzten und die Träger der auffallendsten Riechorgane einen Preis bekamen. Ein solcher Nasentanz ist auf dem bekannten Holzschnitt von Hans Sebald Beham festgehalten.
Auf der Klassikliste sind die fantastischen King’s Singers zu hören, seit 50 Jahren weltweit das bekannteste und wohl beste A-cappella-Ensemble, mit einem sehr effektvollen Vortrag. Hier der Text dazu.
Auf der Ergänzungsliste ist das gleiche Lied zu hören, von den Singphonikern genauer und verständlicher gesungen, aber auch etwas braver. Und hier ein Video von ihnen.